Was sind Linguistic Landscapes? — LL (1/3)

Ein relativ junges Gebiet in der Sprachwissenschaft ist die Forschung zu Linguistic Landscapes (LL), das heißt zu den sprachlichen Landschaften im öffentlichen Raum, die überall auf sogenannten Signs zu sehen sind. Beeinflusst werden Linguistic Landscapes durch die soziolinguistische Situation, sprachpolitische Regulierungen oder historisch etablierte Strukturen. Aufgrund dieser Komplexität umfassen Studien zu Linguistic Landscapes in der Regel nur einen bestimmten Aspekt des Forschungsgegenstands, wie z.B. nur bestimmte Arten von Signs oder der Einfluss eines einzelnen Faktors auf die Linguistic Landscape eines Ortes. Was sind Signs? Signs sind nicht allgemein definiert, sodass je nach Studie häufig unterschiedliche Kriterien für ihre Bestimmung angewandt werden. Oft wird jedoch auf die Definition „piece of written text within a spatially definable frame“ (Backhaus 2006:55) zurückgegriffen. In der Praxis besitzen allerdings nicht alle Signs deutliche Grenzen; z.B. im Fall von direkt auf Schaufenstern gedrucktem Text handelt es sich also um eine persönliche Einschätzung, welche Textteile zusammengehören und als ein Sign gezählt werden. Ein anderer Ansatz stammt von Cenoz & Gorter (2006:71), die z.B. die Gesamtheit eines Geschäfts als Sign betrachten, da ihrer Meinung nach ein inhaltlicher Zusammenhang zwischen dessen einzelnen Fragmenten besteht und diese alle vom selben Produzenten stammen. Ein Problemfall bei dieser Definition sind jedoch Graffiti und sonstige signs, die von anderen Produzenten hinzugefügt wurden. Wichtig für die Untersuchung von LL ist außerdem Landry und Bourhis’ Unterscheidung zwischen private signs (oft auch bottom up), d.h. Schilder an den Fassaden von Läden und Firmen, Reklametafeln oder Werbeschilder an öffentlichen Verkehrsmitteln oder Privatfahrzeugen, und government signs (auch top-down), die unter anderem Verkehrszeichen, Ortsschilder, Straßennamen und Inschriften an offiziellen Gebäuden wie Krankenhäuser, Rathäuser, Schulen oder Universitäten umfassen. Dabei sind government signs tendenziell stärker normiert, während private signs von Individuen geprägt werden und größere Diversität aufweisen (Landry & Bourhis 1997:26-27). Es gibt aber auch Kritik an dieser Unterteilung. So beziehen z.B. Leeman & Modan (2009:334) die Kommerzialisierung des öffentlichen Raums mit ein, die unter anderem durch Sprache erfolgt, sodass eine Trennung zwischen top-down und bottom-up diese Vorgänge nicht widerspiegeln kann. Betrachtet man auch mobile Signs, werden auch Aufschriften auf Autos ebenso wie T-Shirts, Taschen und Zeitschriften von Passanten untersucht (Reh 2004:3-5). Studien zu Linguistic Landscapes zeigen häufig eine Momentaufnahme der sprachlichen Situation; nur bei der Untersuchung ausschließlich statischer Signs können auch Veränderungen innerhalb eines Zeitraums untersucht werden. Was ist die Sprache eines Signs? Eine genaue Zuordnung der Sprachen auf einem Sign ist nicht immer möglich.Dies zeigt sich vor allem bei brand names, aber auch bei writing system mimicry oder Anglizismen. Writing system mimicry bezeichnet die Imitation des Schriftsystems einer anderen Sprache durch bestimmte Buchstabenkombinationen und die Gestaltung der Schrift bei gleichzeitig bestehender Lesbarkeit in der ursprünglichen Sprache (Sutherland 2015:150). Dabei werden positive oder negative mit der imitierten Sprache verbundene Stereotype genutzt, aber im Gegensatz zur Verwendung der tatsächlichen Fremdsprache bleibt der Inhalt dabei für Nicht-Sprecher verständlich. Ein typisches Beispiel dafür sind Restaurants, die so um Kunden aus anderen ethnolinguistischen Gruppen oder Solidarität mit anderen Mitgliedern der ethnischen Gruppe werben (Sutherland 2015:158-159). Einen großen Anteil an Linguistic Landscapes hat Werbung, und besonders brand names nehmen dort eine wichtige Stellung ein. Mit ihnen verbundene Assoziationen sind dabei wichtiger als die tatsächliche Bedeutung, sodass die Sprachenwahl bei der Erstellung eines brand name das Image der Firma bzw. des Produkts erheblich beeinflussen kann. Positive Assoziationen wie gute Qualität oder Internationalität sind daher ein Grund, um eine bestimmte Sprache für einen brand name zu wählen oder einen Namen zu erfinden, der wie ein Wort aus dieser Sprache aussieht (Edelmann 2010:23-24). Häufig lassen sich brand names allerdings zu keiner Sprache eindeutig zuordnen. Auch zum Beispiel Graffiti sind häufig schwer zu entziffern. Ausblick Diese kurze Übersicht zu den verschiedenen theoretischen Ansätzen bei der Betrachtung von Linguistic Landscapes zeigt bereits, dass es sich um ein sehr vielfältiges und interdisziplinäres Forschungsfeld handelt. Je nach Forschungsgegenstand und Erhebungsgebiet kann auf völlig unterschiedliche Art und Weise an die Untersuchung herangegangen werden. In den folgenden beiden Beiträgen werde ich deshalb am Beispiel einer eigenen Studie zum Thema einen möglichen Ansatz zeigen, wie man eine Linguistic Landscape in der Praxis untersuchen kann und wie sich die Ergebnisse einer solchen Untersuchung interpretieren lassen. Quellen Backhaus, Peter (2006): „Multilingualism in Tokyo: A look into the linguistic landscape“. International Journal of Multilingualism, 3(1), 52-66. Cenoz, Jasone, & Gorter, Durk (2006): „Linguistic landscape and minority languages“. International Journal of Multilingualism, 3(1), 67-80. Edelman, Louise Jeanne (2010): Linguistic landscapes in the Netherlands: A study of multilingualism in Amsterdam and Friesland. Amsterdam Center for Languages and Communication: LOT. Landry, Rodrigue, & Bourhis, Richard Y. (1997): „Linguistic landscape and ethnolinguistic vitality an empirical study“. Journal of language and social psychology 16(1). Sage Publications, 23-49. Leeman, Jennifer & Modan, Gabriella (2009) „Commodified language in Chinatown: A contextualized approach to linguistic landscape“. Journal of Sociolinguistics 13(3), 332-362. Reh, Mechthild (2004): „Multilingual writing: A reader-oriented typology—with examples from Lira Municipality (Uganda)“. International journal of the sociology of language 2004(170), 1-41. Sutherland, Paul (2015): „Writing System Mimicry in the Linguistic Landscape“. SOAS Working Papers in Linguistics (17), 147-167   Hinweis: Die verwendeten Daten stammen von 2016, sind also nicht mehr ganz aktuell. Doch Studien zu Linguistic Landscapes begrenzen sich fast immer auf einen momentanen Zustand, da Linguistic Landscapes sich schnell verändern. Alle Bilder sind copryright-geschützt und jede Nutzung und Verbreitung untersagt.